1. JULI 2017
Wiesbadener Kurier · Von Katharina Schuster
WIESBADEN – „Meine Mutter will nicht mehr essen und trinken. Was tun?“, so lautete der Titel der Veranstaltung des Hospiz-Palliativ-Netzes Wiesbaden und Umgebung, die Mechthilde Burst vom Zentrum für ambulante Palliativversorgung (ZAPV) leitete.
„Wir sprechen heute nicht über Akutsituationen nach einem Unfall, sondern von älteren Menschen, die in einer bestimmten Lebenssituation sind“, sagte Mechthilde Burst. Essen und Trinken seien lebensnotwendige Grundbedürfnisse, die für die meisten Menschen mit positiven Emotionen verknüpft seien: Gemeinsamkeit, Geselligkeit, Familie, Genuss, Wohlfühlen. All das seien Elemente, die die meisten mit den täglichen Mahlzeiten verbänden.
Was passiert aber, wenn wir uns gar nicht wohlfühlen? Die ausgebildete Anästhesistin machte deutlich, dass selbst bei jungen Menschen durch Stress oder eine Erkältung der Appetit nachlässt und das zu einer Gewichtsabnahme führen kann. Wie äußert sich das dann erst bei älteren Menschen mit einer fortgeschrittenen Erkrankung? „Folgen können Schwäche, Bettlägerigkeit oder Mundtrockenheit sein. Das bewirkt eine verringerte Nahrungsaufnahme und damit eine verminderte Lebensqualität“, erklärte Burst.
Am Lebensende würden die Bedürfnisse nach essen und trinken sowieso nachlassen. Das sei ein ganz natürlicher Vorgang, so Burst. Das könne unfreiwillig durch Infektionen im Mund oder Medikamente geschehen, die Übelkeit verursachen. Bedingt durch eventuell große Traurigkeit könnten Betroffene aber auch freiwillig Nahrung ablehnen, etwa weil sie keinen Sinn mehr im Essen sähen.
In unserer Gesellschaft sei das ein äußerst schwieriges Thema, da Essen und Trinken einen sehr hohen Stellenwert hätten. Burst verwies auf den Satz von Sokrates „Wir leben nicht, um zu essen, wir essen, um zu leben“. Für die Palliativmedizinerin zeigt das ganz deutlich: „Wenn du nicht isst, hast du es in der Hand, dass du nicht weiterleben wirst“.
Für Angehörige sei das oft schwer nachvollziehbar. Dann könne ein Palliativteam zur Hilfe kommen, mit dem in einer ethischen Beratung mit den Angehörigen, dem Arzt, dem Betreuer und den Pflegern über die oft komplexen und schwierigen Situationen gesprochen werden kann.
Ein offener Dialog sei in solchen Phasen unerlässlich. Ziel der Gespräche sei es, das Therapieziel, die medizinische Indikation und den Willen des Betroffenen unbedingt zu berücksichtigen und daraus Maßnahmen abzuleiten.
Noch ein letztes Mal Lachs riechen
Für Burst stehen bei Patienten am Lebensende vor allem deren Wünsche im Vordergrund. „Ich hatte mal eine Patientin, die hat sich einfach noch mal ein Lachsbrötchen gewünscht. Wir haben Lachs gefunden und ihr ein Brötchen zubereitet. Es lag auf ihrem Nachtisch, sie hat es nie gegessen. Für sie war es etwas Wichtiges, sie wollte einfach den Lachs noch mal riechen. Für mich war das eine Wunscherfüllung. Manchmal sind es die kleinen Dinge“, berichtete Burst einfühlsam.
Ganz zentral sei für Burst, dass die Angehörigen die Patienten während des Essens aus der Einsamkeit herausbrächten. Der Genuss dürfe nicht vergessen werden: „Genuss statt Muss am Lebensende.“ Auch wenn der Patient vielleicht nicht so viel trinken oder essen können, müsse das gute Gefühl im Vordergrund stehen.